Sonntag, 24. Juli 2016

auf Schleichwegen nach Litauen

Mein Zelt steht auf einem Reiterhof. In der Nacht ist war sehr ruhig. Um 7:30 werde ich erst wach. Es ist bewölkt und daher nicht so heiß im Zelt. Bin trotzdem aufgestanden, gepackt, verabschiedet und um 8:30 ging's wieder weiter. 







Sonntag morgen, es ist absolut still, kaum Autos auf der Straße. Die Landschaft liegt in leichtem Dunst. Es ist etwas hügelig, aber gut zu fahren. Nach einiger Zeit treffe ich sogar auf einen kleinen Supermarkt der offen hat, einen Kaffeeautomat gibt's aber leider nicht. 

Bei Saliena verlasse ich die Hauptstraße P69 und es geht auf einer Schotterstraße weiter. Hier gibt es viel Wald und Felder, hin und wieder ein Hof mit einem bellender Hund. Zum Glück sind die Hunde immer hinter Zäunen oder angekettet. So wie die bellen, sind die nicht so gut drauf. Nach 10km wieder eine Teerstrasse. Links geht es nach Weißrussland und rechts nach Daugavpils.  Beides nicht meine Richtung. Also gerade aus durch den Ort Silene. Am Ortsende ist dann wieder Schotterpiste angesagt. 

Die Straße ist schwer zu fahren, da mich immer wieder das Wellblechprofil ausbremst. Plötzlich merke ich, dass ich wohl einen Abzweig verpasst habe, also zurück. Vorbei wieder an dem Zaun mit einem besonders nervösen Hund. Ich fahr eine Weile und bin laut Navi schon wieder vorbei an dem Abzweig. Also wieder zurück. Den eingezeichneten Weg, den Garmin und auch Google anzeigen, den gibt es nicht. Ein anderer Weg, trifft aber, laut Google, später auf meinen Track. Also nochmal an diesem wilden Hund vorbei. Ich teste, bei der Gelegenheit, mal meinen Hunde-Abwehrpiepser. Der Hund scheint aber unbeeindruckt zu sein. Nach einer Weile durch den Wald, treffe ich tatsächlich wieder auf meinen Track, was mich sehr beruhigt, und ich fahre weiter durch den Wald entlang meiner Route. Ich bin jetzt allerdings etwas verunsichert, da ich noch ungefähr 20km bis zur Grenze vor mir habe. Vielleicht gibt es da noch mehr Wege, die es nicht gibt. Vielleicht komme ich hier gar nicht nach Litauen. Ich fahre auf Risiko. Hin und wieder steht ein Auto im Wald, vermutlich Beeren oder Pilzsammler. 

Der Weg wird immer unwegsamer, aus der Schotterstraße wird erst ein  Waldweg und dann ein sandige Pfad. Drei einheimische, die mit einer Schnapsflasche durch den Wald ziehen, fragen mich, auf russisch oder lettisch, wo ich hin will. Sie sprechen natürlich nur ihre Sprache, die ich allerdings nicht verstehe. Mit Händen und Füßen deuten Sie mir an, dass ich eine Erlaubnis brauche um hier zu fahren, weil es Grenzgebiet ist. 


Ich kannte das schon aus Finnland, aber wo soll ich jetzt eine Erlaubnis her bekommen? Ich fahre weiter auf Risiko. 
Wieder komme ich an eine Stelle, an der es meinen Weg nicht gibt. Ich muss rechts oder links, obwohl der Navi gerade aus vorgibt. Der Grenze zu Weißrussland komme ich jetzt sehr nah.  Ein hoher Zaun führt eine weile entlang des Wegs. Dann biegt der Weg ab und ich komme, zum Glück, wieder auf meine vorgegebene Route. In einer kleinen Siedlung muss ich abzweigen. Natürlich erwische ich den falschen Weg und lande auf einem Privatgrundstück. Der Wachhund bellt und zerrt an der Kette, hoffentlich reißt sie nicht. Ein Auto steht vor der Tür. Ich rufe ob jemand da ist. Erst tut sich nichts und als ich wieder gehen will kommt ein Mann aus dem Haus und geht zum Auto. Er ignoriert mich fast, obwohl ich ihn nach dem Weg frage. Dann doch eine Antwort, ich soll zurück zur Hauptstraße und dann eine Straße vorher abbiegen, macht er mir mit Gesten klar. 

Straßen gibt es hier ja nicht, es sind mehr oder weniger Feldwege. Auch der Weg, den ich nehmen soll ist ein solcher - und hier soll ich nach Litauen kommen. Ich werde immer unsicherer mein Ziel, den Grenzübergang, zu erreichen. Jetzt gibt  es aber kein Zurück, jetzt will ich es wissen. Der Weg führt mich wieder zu einem Hof. Ist jetzt hier Ende, oder geht der Weg weiter - er geht weiter. Noch einige km fahre ich über Feld und Flur. Auf dem Navi-Display kann ich jetzt die Grenze bereits sehen und dass ich mich darauf zu bewege. 

Genauso gut hätte es sein können, dass mich der Weg Richtung Russland führt. Die Grenze ist hier nur wenige km entfernt. Aber dann kommt die Erlösung. Ich treffe auf einen breiteren Weg und den richtigen Grenzübergang. Rechts dass Schild Latvia und links das Schild Lietuvos, ich habe es tatsächlich geschafft auf diesen Schleichwegen den Grenzübergang nach Litauen zu erreichen.

Donnerstag, 21. Juli 2016

Zwischenstand

Heute war der 51.Tag. Ich bin nun in Lettland und habe inzwischen 3200km hinter mir. Bei bisher 43 Fahrtagen macht das einen Schnitt von ca. 75km/Tag. Somit liege ich ein paar Tage vor meiner Planung, was mir eine gewisse Reserve bringt. Bisher hatte ich keine Pannen, habe allerdings schon alle Ersatz-Bremsbeläge aufgebraucht. Der häufige Regen fördert den Verbrauch. Die Höhenmeter habe ich noch nicht aufaddiert, aber bei durchschnittlich 500 pro Tag sind das auch schon über 20.000 hoch und runter. 23 Nächte habe ich im Zelt geschlafen die restlichen in Hütten oder Hotelzimmer. Die günstigste Hüttenübernachtung hatte ich mit 7€ in Estland, ein Zeltplatz kostet dort 4€. Der teuerste Zeltplatz mit 25€ war in Finnland. Da bin ich allerdings nicht geblieben, sondern habe mir einen kostenlosen Platz gesucht. An diesem Tag hatte ich dann auch, mit 123km, meine bisher längste Tagesetappe.
Norwegen war landschaftlich die schönste Etappe, Finnland etwas eintönig mit der Zeit und unangenehm wegen der Moskitos. Bei Russland denke ich an viel Verkehr auf sehr schlechten Straßen bei Dauerregen zurück, aber auch an ein beeindruckendes Sankt Petersburg. 

Estland ist dann wieder europäisch, mit guten Straßen und sehr gut beschilderten Radwegen. Supermärkte sind nach westlichem Standard. Es ist preiswert und fast jeder spricht ein wenig englisch. Die Menschen waren bisher überall freundlich und hilfsbereit. Mit Kriminalität kam ich bis jetzt nicht in Berührung. Gefährlich ist es manchmal auf den Straßen bei viel Autoverkehr oder wenn man von bellenden Hunden verfolgt wird.


Mein Plan nach Istanbul zu fahren und weiter durch die Türkei ans Mittelmeer, ist im Moment durch die politische Lage in der Türkei ein wenig in Frage gestellt. Plan B wäre, in Bulgarien abzubiegen und durch Griechenland ans Mittelmeer zu radeln.

Sonntag, 17. Juli 2016

Estland

In Estland erkennt man sofort den Einfluß von EU-Richtlinien, trifft aber auch noch häufig auf Zeugen vergangener Tage. 


Das es in Russland keine Radwegweiser gibt, war mir schnell klar. Straßenbeschilderung gab es da nur sporadisch. Hinweisschilder waren meist an die Bäume genagelt.  
Aber auch in Norwegen und Finnland gab es keine Wegweiser für Fernradwege. Auch der Iron Curtain Trail, ist nicht einmal mit einem Schild markiert.  


Auf die ersten Schilder treffe ich in Estland. Hier sind einige Fernradwege ausgeschildert und ich freue mich immer wieder, wenn mein GPS Track mit der Wegweisung übereinstimmt. 
Ich fahre nun nicht mehr auf dem ICT sondern folge dem Europa-Radweg R1 zunächst bis Tartu. 



Auf dem Weg zum Peipus See, der auf der Grenze zu Russland liegt, komme ich durch einige Dörfer und sehe die ersten bewohnten Storchennester. 
Entgegen meiner Befürchtung, hier am Rande der Zivilisation ohne jegliche Infrastruktur zu sein, komme ich immer wieder an kleinen Lebensmittelläden und auch Gaststätten vorbei. 




Besonders später, entlang des Sees, gibt es unerwartet Zeltplätze und immer wieder Hinweisschilder auf Fischverkauf. 






 

Das Ufer des Peipus Sees ist hier, ähnlich wie die Ostsee, sehr flach. Mann kann weit hinauslaufen und steht nur bis zum Knie im Wasser. 

Ich zelte auf einem einfachen Campingplatz direkt am See und bekomme am Abend noch ein tolles Panorama. 

Nach zwei Etappen erreiche ich Tartu und mache eine  (Zwangs)Pause, da ich von zuhause eine neue Luftmatratze und meinen Sommerschlafsack zugesandt bekomme. Im Gegenzug sende ich einige (Winter)-Ausrüstung zurück. Es gibt auch ein paar Dinge, die ich bisher nicht gebraucht habe und nun nicht weiter mitschleppen möchte. Das dicke/schwere Teleobjektiv beispielsweise. 






Die Wartezeit auf das UPS Packet überbrücke ich mit einem Ausflug nach Tallinn, das man in 2-3h mit dem Zug erreicht. Ich fahre früh am morgen los und bin schon um 9:30 in Tallinn. 





Es ist noch angenehm kühl und die Gassen in der Altstadt sind wie leergefegt. Die Strassenlokale öffnen gerade und rüsten Stühle und Tische. Im Gegensatz zu mir, wissen die was kommt.



Eine Stunde später sind alle Gassen mit internationalem Publikum gefüllt, an manchen Stellen ist schier kein Durchkommen mehr. 
In den unterschiedlichsten Sprachen hört man die Gruppenführer erzählen und so mancher Teilnehmer, in diesen geführten Stadtrundgängen, quält sich überfordert durch die Menschenmassen.
Die Führungen sind nicht gerade preiswert. Ein Ticket für eine Stadtrundfahrt, mit diesen roten Doppeldeckerbussen, kostet hier 19€, eine TallinnCard, für z.B, kostenlose Museumsbesuche, kostet ab 32€. Da muss man so einige Museen besuchen, dass sich das rechnet. Es gibt hier allerdings auch jede Menge Museen.
Ich wollte mir eine Kirche von innen ansehen und frage den Aufseher vor der Tür ob ich da hinein kann. Er weist mir den Weg in den Keller zum Museum. Als ich dann sage, dass ich in die Kirche und nicht ins Museum will, sagt er etwas genervt "this church is a museum". Vermutlich muss er das 1000x am Tag sagen. 
Bis abends um 20 Uhr bin ich, mit einigen Pausen, durch die Altstadt geschlendert. Schade, dass ich weg musste, denn jetzt wurde das Licht erst gut zum Fotografieren. 

Die Altstadt von Tallinn ist nett, aber meiner Meinung nach nicht einmalig. Es gibt viele solcher mittelalterlichen Stadtkerne, den Trubel, der um Tallinn gemacht wird, finde ich etwas übertrieben. Die Preise sind im Vergleich zum Umland völlig überteuert und für alles wird hier Eintritt verlangt. 3€ z.B. um ein kurzes Stück auf der Galerie der alten Stadtmauer zu laufen.




Fotos von Tallinn:
 Blick über die Altstadt Richtung Hafen

Stadtmauer 



 Marktplatz 


Ausreise

Ich passe meinen Zeitplan mal wieder dem Wetter an und reise einen Tag früher als geplant aus Sankt Petersburg ab. Außerdem habe ich dicke Füße vom Laufen, da ist Radfahren ein guter Ausgleich. 







Es ist Montagmorgen, die Straßen sind angenehm leer - zumindest stadtauswärts. 

Dieses Bauwerk hat ein wenig Ähnlichkeit mit dem Berliner Tor, aber die Farbe ist ja nur häßlich. 






Am Stadtrand ein Viertel mit futuristischen Wohnsilos. Die Straßenbahn ist allerdings museumsreif. Ungefähr 40km sind es bis man das Stadtgebiet hinter sich hat. Nach Peterhof wird es dann ländlich.

 

 

Den Park in Peterhof muß ich mir aber noch ansehen. Für die berühmten Wasserspiele muss man allerdings Eintritt zahlen und sich etwas Zeit nehmen. Das hebe ich mir für das nächste Mal auf.


Von Sankt Petersburg bis zum Grenzübergang in Narva sind es für mich zwei Etappen. 
Ich fahre den kürzesten Weg, aber wenn möglich auf Nebenstraßen. 








In den vielen Dörfern durch ich ich fahre, sehe ich wie einfach und ärmlich die Menschen hier leben. 
Auf halber Strecke mußte ich diesmal wild zelten, da ein Unterkunft in dieser Gegend nicht zu finden war. Ein Acker neben der Straße hinter einigen Büschen dient mir als Zeltplatz. Die Ausreise aus Russland am nächsten Tag, war einfacher als rein zu kommen. Kurze Passkontrolle, erst russisch dann estnisch und schwups war ich durch. 

Sonntag, 10. Juli 2016

Sankt Petersburg

so schlecht, wie der erste Eindruck an der Grenze, ist Russland doch nicht. Die Straßen sind mal ziemlich schlecht und dann wieder sehr gut, genau wie das Wetter. Bis Sankt Petersburg sind es für mich drei Etappen und jeden Tag werde ich vom Regen durchnäßt. Für beide Nächte und auch in St. Petersburg habe ich Zimmer über booking.com gebucht. 

Erste Nacht in einem Hostel in Vyborg und am zweiten Tag übernachte ich, 100km vor St. Petersburg, auf einem Bauernhof. Genau genommen auf einer Straußenfarm. Es war nicht so einfach diesen Hof zu finden und als ich davor stand, habe ich auch erstmal gezweifelt, dass dies ein Gasthaus ist. Es sah zunächst sehr verlassen dort aus. In einem der Gebäude brannte aber Licht und man erwartete mich dort schon. 



 

Hinter der etwas in die Jahre gekommenen Fassade fand sich dann aber tatsächlich ein Gasthaus mit einigen Zimmern, WC, warmer Dusche und einem Restaurant. Ich war mal wieder der einzige Gast, habe aber trotzdem ein Abendessen bekommen. Der Holzofen im Restaurant wurde extra angefeuert und sorgte für wohlige Wärme und dafür, dass meine nassen Sachen bis am nächsten morgen alle trocken waren. In St. Petersburg bin ich im Laika Hostel untergebracht. Ein kleines und günstiges Hostel mitten im Zentrum. 

Etwas überrascht bin ich am nächsten Tag, bereits nach 35km das Ortsschild zu erreichen. Von hier sind es allerdings noch ca. 70km bis ins Zentrum, die ich teilweise durch Regen und Großstadtverkehr zurücklegen muss. 







 

Zunächst geht es 30km auf einem Radweg parallel zur Straße entlang der Ostseeküste. Badestrände und Strandhotels liegen entlang des Wegs bis das Stadtgebiet anfängt und ab hier wird es chaotisch. Ich fahre bei strömenden Regen auf 4-spurigen Zubringern. Die russischen Autofahrer, so sagt es der Reiseführer von booking.com, sind nicht die freundlichsten. Als Radfahrer ist man hier nicht besonders beliebt ist auch mein Eindruck. Im Stadtkern quetsche ich mich durch den Feierabendverkehr, mal auf der Straße, mal auf dem Gehweg. Klingeln auf den Geh/Radweg nützt hier übrigens nichts, man wird nur wahrgenommen wenn man laut ruft. 

Die nächsten Tage habe Glück mit dem Wetter und nehme mir drei Tage Zeit um die Stadt zu erkunden. Am ersten Tag eine Kennenlernrunde, die sich dann aber doch bis spät in die Nacht hinzieht, da ich vor lauter fantastischen Fotomotiven kein Ende finde.






 

 

Am zweiten Tag dann Shopping und Stadtrundfahrt und am Sonntag führt mich ein Guide durch die Eremitage und die Isaakkathedrale. Beides natürlich Highlights der Stadt und entsprechend überlaufen von Besuchern. 

Die Eremitage, als eins der größten Kunstmuseen der Welt, zeigt hunderte von Gemälden und andere Exponate. Mich interessiert allerdings mehr die Architektur und Raumgestaltung, die mich, trotz der vielen Besucher, sehr beeindruckt. Tatiana, eine sachkundige Studentin und offizieller Guide, kann mir viele Hintergründe zur Geschichte der Eremitage mitgeben.